Der Wolf ist schon seit längerem zurück in Deutschland. Offiziellen Verlautbarungen nach gab es Mitte 2014 mindestens 100 Wölfe in Brandenburg, eine wesentlich größere Anzahl ist wahrscheinlicher. Der NABU gibt die Anzahl in Deutschland mit 25 Rudel und etwa 200 Tieren an. Die Dynamik der Ausbreitung wurde in der Vergangenheit unterschätzt, bei Zuwachsraten von jährlich 30 Prozent ist eine starke Ausbreitung beginnend im Süden Ostdeutschlands nunmehr mit Nord/Nordostwanderung auch in den alten Bundesländern angekommen.
Unterschätzt wurde auch ihre Anpassungsfähigkeit und ihr Verhalten dem Menschen gegenüber. Sie sind längst nicht so menschenscheu und harmlos wie manche Tierfreunde behaupten. Sie verhalten sich ganz anders als es in Faltblättern und Broschüren immer wieder beschrieben wird; nicht wie scheue Wesen, die den Menschen meiden und sich bei einer unverhofften Begegnung vertreiben lassen. Für die einen ist er eine Bedrohung unserer Heimat und heimischer Tierarten, andere geraten bei der Aussicht, ihn als Mitbürger begrüßen zu dürfen, in Verzückung. Doch wie ist die Faktenlage wirklich? Was steckt hinter der Dynamik der Ausbreitung großer Beutergreifer und welche Veränderungen in Wildbahn und Jagd sind zu erwarten? Heute sind die Rahmenbedingungen für den Wolf in unserer Landschaft wieder bestens, er findet reichlich Beute unter den Wildtierbeständen. Naturschützer sehen im Wolf einen Boten angeblich unberührter Wildnis und übersehen dabei gern, dass es erst die intensive Landwirtschaft ist, die auch seine Beutetiere wie Schwarzwild und Rotwild mästet und damit seinen Tisch reichlich deckt.
Ende April, Anfang Mai wölft die Alphawölfin im Rudel in der Regel drei bis acht Junge pro Wurf. Die Geschwister des Vorjahres helfen bei der Versorgung der Jungen mit. Erst im Laufe des zweiten Lebensjahres lösen sie sich allmählich aus dem Familienverband. Dann beginnt die Suche nach einem eigenen Revier. Dann tauchen sie auch am Stadtrand von Frankfurt (Oder), am Helenesee, am Ortsrand von Hohenwalde und im touristisch erschlossenen Schlaubetal auf. Treffen sie dann auf einen akzeptablen Partner, ist die Keimzelle für ein neues Wolfsvorkommen gelegt – ein Rudel beginnt sich zu etablieren. Dabei sind Wölfe nicht wählerisch was ihren Lebensraum betrifft. Sie brauchen keine einsamen Weiten oder dichte Wälder. Sie sind typische Kulturfolger. Mit der Ausbreitung der Wolfsrudel bekommt die heimische Natur eine neue, dramatische Komponente. Werden wir in 15 Jahren biber- und waschbärenähnliche Zustände vorfinden?
Der Wolf polarisiert. Fakt ist, er jagt in vielen deutschen Revieren seit Jahren mit. Es ist notwendig, Abschussstrategien für das Schalenwild ggf. anzupassen. Mit Sicherheit ist das gerade beim Rehwild notwendig. Es stellt eindeutig die Haupfbeuteart der Wölfe dar. Ein Monitoring Projekt des Lehniner Wolfsrudels in Potsdam Mittelmark brachte aufsehenerregende Informationen. Der Einbruch der Streckenzahlen über Jahre konnte eindeutig in Bezug zu den dort lebenden Wölfen gebracht werden. 50 Prozent der geplanten Rehwildstrecke erfüllen nun die Wölfe. Als Rudel mit 8 Tieren entnehmen sie pro Jahr etwa 445 Rehe (50% Plan) und 115 Stück Damwild (30% Plan). Diese Zahlen müssen bei der jagdlichen Planung berücksichtigt werden. Ob man sich darüber freut oder nicht – große Beutegreifer wie der Wolf werden in Zukunft in alle deutschen Reviere zurückkehren. Dieser Tatsache muss man ebenso ins Auge sehen wie es notwendig sein wird, sich mit Sachverstand und Augenmaß auf mögliche Veränderungen in Revier und Jagdpraxis einzustellen. Und der Wolf muss die neue Vertrautheit gegenüber dem Menschen ablegen, er muss die Scheu vor dem Menschen wieder lernen. Hier ist insbesondere die Politik gefragt.
Weidmannsheil! Wolfgang Gielisch